Der Tempel der Ewigkeit by Christian Jacq

Der Tempel der Ewigkeit by Christian Jacq

Autor:Christian Jacq
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2010-11-06T23:00:00+00:00


EINUNDDREISSIG

ROMET WUSSTE NICHT mehr, wo ihm der Kopf stand, so sehr nahmen ihn die Vorbereitungen für diese Reise des Königs samt seinem Gefolge von Theben nach Memphis in Anspruch. Den vornehmen Damen durfte kein Schminktöpfchen fehlen und den hohen Herren kein bequemer Stuhl. Die Mahlzeiten an Bord mußten von gleicher Güte sein wie an Land. Auch der Hund und der Löwe des Herrschers mußten ausgiebig und abwechslungsreich ernährt werden. Zu allem Überfluß war noch ein Koch erkrankt, ein Wäschebleicher hatte sich verspätet und eine Weberin das falsche Linnen geliefert.

Aber Ramses hatte Befehle erteilt, und diesen Befehlen würde er nachkommen. Romet, der einst nur davon geträumt hatte, ein ruhiges Dasein zu führen und mit äußerster Sorgfalt schmackhafte Gerichte zuzubereiten, bewunderte mittlerweile diesen gestrengen, rastlosen jungen König. Gewiß, er setzte den Menschen in seiner Umgebung hart zu, er gab sich unduldsam, und in ihm loderte ein Feuer, das alle zu verzehren drohte, die sich ihm näherten. Doch der Zauber, der von ihm ausging, war ebenso überwältigend wie der des Falken in der Weite des Himmels. Folglich gierte Romet danach, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, selbst wenn er dabei seinen Seelenfrieden einbüßte.

Mit einem Korb frischer Feigen in der Hand erschien er an der Anlegestelle und wollte das Schiff des Königs betreten. Da verwehrte ihm Serramanna den Zutritt.

«Zuerst muß ich dich durchsuchen.»

«Ich bin doch der Vorsteher des Palastes Seiner Majestät!»

«Trotzdem muß ich dich durchsuchen», wiederholte der Sarde.

«Willst du einen Zwischenfall heraufbeschwören?»

«Hast du etwa kein reines Gewissen?»

«Was meinst du damit?»

«Entweder du weißt es wirklich nicht, dann ergeht’s dir gut, oder du weißt es, dann entkommst du mir nicht.»

«Sarde, du hast den Verstand verloren! Aber wenn du so mißtrauisch bist, dann bring doch selbst dem König diesen Korb. Ich habe noch tausend andere Dinge zu tun.»

Serramanna zog das weiße Tuch beiseite, das den Korb bedeckte. Die Feigen waren herrlich, nur, bargen sie nicht doch eine tödliche Falle? Mit spitzen Fingern hob er sie einzeln heraus und legte sie auf den Kai. Bei jeder Bewegung rechnete er damit, auf einen angriffslustigen Skorpion zu stoßen.

Sobald der Korb leer war, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn wieder zu füllen, ohne die reifen Früchte zu zerdrücken.

Iset, die Schöne, sah bezaubernd aus.

Sie verneigte sich vor Ramses wie eine junge Adlige bei Hof, die dem König zum erstenmal begegnete und der die Sinne zu schwinden drohten.

Kraftvoll und zugleich zärtlich zog er sie hoch.

«Bist du zerbrechlich geworden?»

«Mag sein, Majestät.»

Ihr Gesicht wirkte ernst, beinahe beunruhigt, doch ihre Augen lachten.

«Bereitet dir etwas Sorgen?»

«Gestattest du mir denn, es dir anzuvertrauen?»

Sie setzten sich auf niedrige Stühle, dicht nebeneinander.

«Ich habe ein Weilchen Zeit für eine private Audienz.»

«Ist das Amt des Königs so anstrengend?»

«Ich gehöre nicht mehr mir selbst, Iset. Es gibt immer mehr Pflichten als Stunden, und das ist gut so.»

«Es heißt, der Hof kehrt nach Memphis zurück.»

«Das stimmt.»

«Du hast mir keinerlei Anweisung erteilt… Soll ich mit dir abreisen oder in Theben bleiben?»

«Ahnst du den Grund für mein Schweigen?»

«Es bedrückt mich, das muß ich zugeben.»

«Ich überlasse die Entscheidung dir, Iset.»

«Weshalb?»

«Ich liebe Nefertari.»

«Aber mich hebst du doch auch, nicht wahr?»

«Eigentlich müßtest du mich hassen.



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